Praxisbeispiel zur Work

Byron Katies Technik an einem Beispiel

Von Ajita Alexandra Gobrecht, veröffentlicht am , gekennzeichnet mit The Work, Meditation und Achtsamkeit

gelber Gummistiefel im Schnee gedreht

Hast Du Deine Urteile, Deine stressigen Gedanken schon aufgeschrieben? Prima, dann such Dir den Gedanken raus, der Dich derzeit am meisten quält, der die stärksten Emotionen in dir hervorruft. Nimm ein neues Blatt Papier und schreib ihn ganz oben noch einmal drauf. Falls Du Deine stressigen Gedanken noch nicht gesammelt hast, geh zurück zum vorherigen Artikel. Wir bearbeiten diesen Gedanken nun mit vier einfachen Fragen und einigen Umkehrungen, die Du aufschreibst. Lass unter jeder Frage genug Platz für Deine ehrlichen und ungeschminkten Antworten.

Hier arbeite ich die Fragen der Work an dem Beispiel mit dem nervigen Nachbarn aus dem letzten Artikel durch. Er macht abends, wenn ich richtig müde und k.o. bin Lärm. Viel Lärm. Um eine unmögliche Uhrzeit. Er ist absolut rücksichtlos. Ich schreibe den stressigen Gedanken also oben auf mein Blatt Papier:

Mein Nachbar sollte um diese Uhrzeit keinen Lärm machen

Und nun wende ich die vier Fragen auf diesen Gedanken an, während er auf der anderen Seite der Wand rumrumort und mir den letzten Nerv raubt.

1) Ist das wahr?

Natürlich ist das wahr! Es ist ja offensichtlich, dass man um diese Uhrzeit nicht solchen Krach machen sollte!

Die erste Frage ist ziemlich direkt. Ist Dein Gedanke wahr? Fühle in Dich hinein und schreib einfach auf, was Du denkst. Es geht bei der Work nicht darum, zu grübeln oder etwas aufzuschreiben, was nicht Deiner derzeitigen Realität entspricht. Du musst nicht freundlich oder besonders vernünftig sein. Es ist vollkommen ausreichend, ehrlich zu Dir selbst zu sein.

2) Kannst Du mit absoluter Sicherheit wissen, dass Dein Gedanke wahr ist?

Nicht so wirklich. Vielleicht hat mein Nachbar einen ganz anderen Tagesrhytmus als ich und empfindet es noch nicht als so spät abends. Vielleicht ist ihm nicht bewusst, dass er laut ist oder ich ihn gerade als sehr laut empfinde. Vielleicht ist er auch gar nicht so laut, sondern das Betonhaus, in dem wir wohnen, ist einfach ziemlich hellhörig.

Auch hier geht es darum, absolut ehrlich zu sein. Nimm Dir Zeit dafür, diese Frage zu beantworten. Bewege sie ein wenig in Dir hin und her, lass sie auf Dich wirken. Fühle in Dich rein. Denke ein wenig drüber nach.

3) Wie reagiere ich, wenn ich diesen Gedanken glaube?

Ich werde wütend auf meinen Nachbarn. Ich halte ihn für rücksichtslos. Ich fühle mich gestresst und kann überhaupt nicht mehr entspannen, obwohl ich Entspannung so dringend nötig hätte. Ich bin kurz davor, bei ihm zu klingeln und ihn anzuschreien, was für ein rücksichtsloser Idiot er doch wieder mal ist. Alles in meinem Herzen und meinem Bauch krampft sich zusammen. Mein Kopf wird rot. Mein Blutdruck steigt. Mir wird heiß.

Vielleicht spürst Du nun regelrecht, wie Dich der Gedanke stresst, welche körperlichen und geistigen Reaktionen er in Dir hervorruft.

4) Wer wärst Du ohne diesen Gedanken?

Ich würde Musik hören wie jeden Abend, wenn ich müde bin und mich entspannen möchte. Ich würde mich nicht gestresst fühlen, sondern einfach nur müde und k.o. Ich würde in die Musik eintauchen. Vielleicht würde ich auch schon mitten im ersten Lied einschlafen, die Musik irgendwann ausstellen, weiterschlafen und am nächsten Morgen erholt und ausgeschlafen aufwachen.

Wenn es Dir schwerfällt, diese Frage zu beantworten, sage Dir: Erstmal nur theoretisch, nur für ein kurzes Gedankenspiel - wer wäre ich ohne diesen Gedanken? Wenn Du darüber nachdenkst, fällt Dir wahrscheinlich auf, dass es Dir ohne den stressigen Gedanken wesentlich besser gehen würde. Man kann Gedanken nicht ausradieren oder umprogrammieren. Man kann aber Frieden mit ihnen schließen. Und überlegen, wie viel besser es einem dann gehen würde. Die Gedanken verlieren dann an Gewicht und Macht über uns.

Kehre den Gedanken um. Finde drei Beispiele dafür, dass auch das Gegenteil wahr sein könnte

Mein Nachbar macht keinen Lärm

  1. Von Freitagmorgen bis Sonntagabend ist er nie da, weil er eine Fernbeziehung führt.
  2. Das Haus ist aus Beton und sehr hellhörig.
  3. Wenn Freunde oder Bekannte bei mir zu Besuch sind, bemerken sie oft, wie ruhig es bei mir im Haus ist.

Es ist noch nicht so spät am Abend

  1. Es ist erst neun Uhr.
  2. Ich bin müde, weil ich früh aufgestanden bin.
  3. Wegen der Sommer-Zeitumstellung gestern ist es sogar nach alter Zeit erst acht Uhr.

Ich mache auch oft Lärm

  1. Sonntagmorgen bin ich sehr früh aufgestanden, habe die elektrische Kaffemühle laufen lassen, Kaffee geschlürft und als mein Lieblingslied im Radio kam, laut aufgedreht. Dann fing mein Hund an, zu bellen. Da war es kurz nach sechs.
  2. Neulich habe ich ins Telefon der Support-Hotline gebrüllt, abens um zehn.
  3. Wenn mir so viele Gedanken gleichzeitig durch den Kopf schießen, fühlt es sich sehr laut in mir drinnen an.

Hier kannst Du Deinen Satz verneinen bzw. die Verneinung raus nehmen, ihn auf Dich selbst bzw. Dein Gegenüber anwenden. Werde kreativ! Vielleicht fällt Dir nur eine Umkehrung ein oder zwei, das ist vollkommen in Ordnung. Ich hatte drei Ideen für das Nachbar-Beispiel. Wichtig ist es, die jeweilige Umkehrung mit drei konkreten Beispielen zu belegen. Schreib nur Beispiele für Deine Umkehrung auf, die ebenso wahr sein könnten, die Du definitiv für realistisch hältst. Es geht nicht darum, sich selbst in die Tasche zu lügen! Das Ziel ist hier, andere Perspektiven und Blickwinkel einzunehmen. Und zu überlegen, ob andere Betrachtungsweisen nicht ebenso wahr sein könnten.

Fazit

Wichtig ist bei der Work, alles aufzuschreiben, damit Du es schwarz auf weiß vor Dir sehen kannst. Und keine Abkürzung zu nehmen, keine Frage wegzulassen. Nimm Dir ein wenig Zeit für Deine erste Work, sei ehrlich und offen und probier einfach aus, was Du herausfindest und wie Du Dich dabei fühlst.

Byron Katie bemerkt oft mit einem Augenzwinkern, dass die Hauptkritik an der Work laute, sie sei zu einfach. Freiheit könne doch nicht so einfach sein. Probier es aus! Und wenn Du mehr über die Work erfahren möchtest, habe ich noch ein paar Buchtipps für Dich.